spendenmagazin2020

ars Vestergaard von Laustsen ist 60 Jahre alt, seit 31 Jahren bei der Berliner Aids-Hilfe als Krankenhausreferent und Ko- ordinator. Er erinnert sich gut an die Zeit Anfang der 1980er- Jahre, als Aids in den USA entdeckt wurde: „Ein Horror. Wir mussten uns an manchen Tagen zwischen zwei Beerdigungen ent- scheiden und wenn wir jemandem mit der Diagnose Aids betreut haben, war das Thema Tod immer mit anwesend. Erfreulicherweise haben wir heute viele Wege gefunden, eine HIV-Infektion zu verhin- dern oder mit ihr zu leben.“ Heute leben weltweit rund 36,7 Millio- nen Menschen mit einer HIV-Infektion; in Deutschland sind es rund 84.000 Betroffene. Seit 1996 ist es denmeisten von ihnenmöglich, mit Medikamenten ein fast normales Leben zu führen, auch ohne andere anzustecken. Die Kombination von drei bis sieben Substanzen ver- hindert, dass von HIV befallene Körperzellen neue Viren zusammen- setzen. „HIV und Aids verloren ihren Schrecken und verschwanden aus der Öffentlichkeit,“ sagt Kristel Degener, Vorstandsvorsitzende der Deutschen AIDS-Stiftung. „Heute fördern wir die Aufklärung bei Jugendlichen sowie Migranten und Migrantinnen, denn sie wissen nur wenig über den Schutz vor HIV.“ Dann kamCorona. Was bedeutet das für Menschen, die mit einer Immunschwächekrankheit wie HIV leben? Und was können wir aus der Zeit des Aufkommens von HIV und Aids lernen, gibt es gar Parallelen zur Corona-Pandemie? L HIV/Aids – in Zeiten von Corona Vor 40 Jahren versetzte ein neuartiges Virus die Welt in Aufruhr: HIV. Und es ist immer noch da. Was bedeutet die Corona-Pandemie für HIV-Positive und Helfer in Deutschland und Afrika? Wir fragten bei der Berliner Aids-Hilfe, bei Deutsche AIDS-Stiftung sowie Projekten der Gemeinschaft Sant’Egidio und Difäm in Afrika nach Fotos: Deutsche Aids Stifting, Difäm Nichtwissen macht Angst „Eine Parallele sehe ich als Kardinalfehler“, antwortet Vestergaard von Laustsen, „man hätte nie über Risikogruppen sprechen sollen. Damals meinte man, es träfe ‚nur‘ schwule und bisexuelle Männer und Drogengebraucher. Jetzt hieß es zunächst, nur ältere Menschen und chronisch Kranke seien von Covid-19 betroffen. Aber ein Virus kann alle Menschen treffen. Aus diesem Fehler haben wir nicht ge- lernt.“ Das Schlimmste sei Unsicherheit, weist Vestergaard von Laust- sen auf einen Unterschied zwischen dem Aufkommen von HIV/Aids und Covid-19 hin, denn „Nichtwissen macht Angst“. „Wir wussten schnell, was zu tun ist. Und wir hatten Vertrauen zu den Virologen. Heute sind teilweise die gleichen hochgeschätzten Spezialisten aktiv und man hört nicht auf sie. Jeder Schauspieler und HNO-Arzt äußert seine Meinung öffentlich, das schafft Unsicherheit und Angst.“ Krank, arm, einsam in Berlin Die Menschen, die von der Berliner Aids-Hilfe wegen einer HIV-In- fektion betreut werden, sind oft älter, haben teilweise jahrzehntelang Medikamente eingenommen und lange Leidensgeschichten hinter sich, die sie arm und einsammachten. „Wir füllen die sozialen Löcher auf, aber durch Corona ist das schwierig geworden“, erzählt Vesterg- aard von Laustsen. Dabei sei das Geschehen für viele wie ein Déjà- vu und „einfach zu viel. Ich habe Menschen gesehen, die starr vor Angst auf dem Boden lagen. Und wir konnten nicht mal mehr die Hand halten, keine Umarmung geben“. Rund 12.000 HIV/Aids-Beratungen leistet die Berliner Aids-Hilfe pro Jahr. Doch in- zwischen ist auch das Café Ulrichs im Haus wegen der wachsenden Ansteckungsgefahr geschlossen. Hier bekamen HIV-Positive ein Mittagessen zum Selbstkostenpreis, dazu Gespräche. Jetzt versucht das Team, vorzukochen und wenigstens das Essen in Einmachgläsern auszuliefern. Für die von der Deutschen AIDS-Stiftung unterstützte, einmal jährlich stattfindende Erholungs- reise der Berliner Aids-Hilfe gibt es derzeit keinen Ersatz. Dabei war das für die etwa 22 mitfahrenden schwerstkranken Frauen und Liebevolle medizinische Versorgung auf der Erholungs- reise der Berliner Aids-Hilfe 26 | Gesundheit

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